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Nimes – Die Gazetten schreiben schon vom «Ende des Ineos-Imperiums», Experten und Fans freuen sich über die Schwäche: Vor der entscheidenden Woche bei der Tour de France ist das britische Multi-Millionen-Team um Titelverteidiger Geraint Thomas und Supertalent Egan Bernal mindestens angezählt.

Die französische Sport-Tageszeitung «L’Equipe» beschrieb: «Eine Atmosphäre von Revolution umgab den Tourmalet.» Auf dem legendären Berg diktierte plötzlich nicht mehr der dominante Zug von Ineos (ehemals Sky) das Tempo, stattdessen wurde der Waliser Thomas am Berg ordentlich abgehängt.

«Es ist die Frage, ob sie sich noch zurückhalten oder ob sie doch nicht so stark sind. Dadurch, dass Ineos nicht so dominant fährt, ist die Tour offener», sagte die deutsche Tour-Hoffnung Emanuel Buchmann zur Schwäche des furchteinflößendsten aller Rivalen. Der 26 Jahre alte Ravensburger ist derzeit Gesamtsechster und fährt in den Bergen tatsächlich auf Augenhöhe mit Top-Kletterer Bernal und deutlich vor Champion Thomas. «Abschreiben darf man Ineos nicht», erklärte Buchmann am Montag.

Seit der Übernahme des Dauersiegers Sky durch den Chemiebetrieb Ineos Anfang Mai wirkt der Rennstall wie vom Pech verfolgt. Beim Giro im  Mai hätte Bernal seine erste große Rundfahrt gewinnen sollen, bevor er mit einem Schlüsselbeinbruch ausfiel. Für die Tour galt der viermalige Sieger Chris Froome als größter Sieganwärter, bis er im Training mit 54 Stundenkilometern gegen eine Wand fuhr und verletzt passen musste. Nun müssen es Thomas und der Kolumbianer Bernal gegen die immer stärkere Konkurrenz richten.

Der in den Pyrenäen schwer getroffene Thomas sagte am Ruhetag in Nimes: «Wir sind immer noch sehr gut dabei. Wir sind nicht in Gelb und sind nicht den ganzen Tag vorne. Aber es gibt mehrere Wege, die Tour de France zu gewinnen. Wir sind in einer superstarken Position.» Als Zweiter hinter Gelb-Träger Julian Alaphilippe ist der 33-Jährige in der Tat vorne dabei, seine jüngsten Auftritte wecken aber Zweifel an seiner Form. Der 22 Jahre alte Bernal ist derzeit Fünfter, wirkt im Hochgebirge aber wie die stärkere der beiden Ineos-Optionen.

Teamchef Dave Brailsford wirkte am Montag vor der versammelten Weltpresse ganz entspannt. «Wir sind das einzige Team mit zwei Fahrern für das Gesamtklassement. Es ist eine sehr interessante Situation. Es ist eine nette Position, in der wir uns befinden», sagte Brailsford. Fragen zur Schwäche seines jahrelang so stark auftretenden Teams wies er zurück, die schwere dritte Woche mit gleich drei Alpen-Etappen stehe ja noch an. «Die ganz hohen Berge kommen erst in den nächsten Tagen», betonte Brailsford.

Gewinner der Ineos-Schwäche sind nicht nur die Rivalen um Alaphilippe, Buchmann und Tourmalet-Sieger Thibaut Pinot. Die Tour wirkt nicht so berechenbar wie in den Vorjahren, sondern spannend und abwechslungsreich. «Es hätte nichts Besseres passieren können. Es hat mich genervt, wie sie in den letzten Jahren durch das Rennen gestampft sind», sagte der ehemalige Tour-Sieger Greg Lemond über Ineos und die neue Rennsituation.

Fotocredits: Thibault Camus
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