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Nimes – Den kleinen Hotel-Pool im schmucklosen Industriegebiet von Nimes ließ Emanuel Buchmann trotz Temperaturen von bis zu 39 Grad links liegen. Stattdessen schwang sich der Radprofi sich auf seine High-Tech-Maschine zu einer lockeren Trainingsfahrt.

Nur nicht ablenken lassen am zweiten Ruhetag, wo ein Coup für den Fahrer des deutschen Bora-hansgrohe-Teams bei der 106. Tour de France doch so greifbar ist. Womöglich das Podium oder gar das Gelbe Trikot auf den Champs Élysées? «Das wäre ein Traum, aber das Ziel bleiben die Top Ten», sagt der schweigsame Ravensburger. Er will erst gar nicht abheben.

Doch inzwischen ist dem auf Platz sechs liegenden Kletterspezialisten alles zuzutrauen, wie auch der bisher einzige deutsche Tour-Sieger meint. «Dass er sich so im Kreis der Favoriten hält und auch beim Zeitfahren seine Klasse beweist, zeigt, dass er das Zeug zu einem echten Champion hat», sagte Jan Ullrich der «Bild-Zeitung». Ullrich hatte 1997 mit seinem Triumph Radsport-Geschichte geschrieben, bevor seine Karriere ein unappetitliches Ende genommen hatte.

Könnte Buchmann 22 Jahre später die Nachfolge antreten? Vergleiche mit Ullrich mag er nicht, schon gar nicht mit dessen Dopingvergangenheit. «Von meiner Seite kann ich sagen, dass sich die deutschen Fans keine Sorgen machen müssen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen», betonte Buchmann, wohlwissend dass gute Leistungen in den Bergen schnell den Dopingverdacht wecken. Er wolle in keine Fußstapfen treten, lieber seine eigene Geschichte schreiben.

Da ist er bei der Frankreich-Rundfahrt auf dem besten Weg. Nur 2:14 Minuten liegt er im Gesamtklassement hinter Gelb-Träger Julian Alaphilippe. In den Pyrenäen hat er sogar Tour-Champion Geraint Thomas an zwei Tagen stehen lassen, ganz zu schweigen von den strauchelnden Kletterstars Nairo Quintana oder Romain Bardet. Da muss träumen erlaubt sein.

Doch Understatement hat im Umfeld von Buchmann Programm. Der Tour-Sieg wäre «eine Riesen-Überraschung», sagt Sportdirektor Enrico Poitschke, auch das Podium sei «nicht realistisch». Buchmann gefällt es ganz gut, dass er nahezu unbemerkt mit den Besten der Besten mitfährt. Auch das Tour-Organ «L’Equipe» hat den 26-Jährigen noch nicht wahrgenommen, während täglich seitenweise über Frankreichs Lieblinge Alaphilippe und Thibaut Pinot berichtet wird. «Es schadet nicht, wenn man ein bisschen unter dem Radar fährt», sagt Buchmann.

Das macht er von Jahr zu Jahr immer besser. 2015 hatte er erstmals bei der Tour mit einem dritten Platz auf einer Pyrenäen-Etappe aufhorchen lassen, im letzten Jahr wurde er Gesamtzwölfter der Spanien-Rundfahrt, nun der Tour-Höhenflug. «Es gibt kein Geheimnis. Ich habe einen weiteren Schritt gemacht», sagt das 62 Kilogramm schwere Leichtgewicht.

Dem pflichtet Trainer Dan Lorang bei. «Er bringt die genetischen Voraussetzungen mit, um auf Weltklasse-Niveau mitzufahren, aber er ist kein Überflieger, der durch die Decke geht», sagt der Luxemburger, der seit drei Jahren mit Buchmann zusammenarbeitet. Der Ravensburger sei ein Arbeiter: «Er liebt es zu trainieren», sagt Lorang, der auch Triathlonstar Jan Frodeno trainiert.

Und das haben sie in diesem Jahr besonders häufig in der Höhe gemacht. Drei Trainingslager in der Sierra Nevada (Februar), Lienz (Mai) und Livigno (Juni) sollten die Tour-Anstrengungen bestmöglich simulieren. Das Hauptaugenmerk lag auf der dritten Tour-Woche, die mit drei hammerschweren Alpen-Etappen ihren Höhepunkt findet. Die vorletzte Etappe mit dem 30 Kilometer langen Anstieg nach Val Thorens sei das «Survival of the Fittest», sagt Lorang. Wenn er überhaupt das Gelbe Trikot angreifen werde, dann dort, betont Buchmann. Für seine Verhältnisse war das fast schon eine Kampfansage.

Ansonsten prallen alle Versuche, ihn aus der Reserve zu locken, an Buchmann ab. Auch die Temperaturen können ihm nichts anhaben. «Mit Hitze habe ich kein Problem. Lieber so ein Wetter als Kälte», sagt Buchmann und radelt davon.

Fotocredits: Yorick Jansens
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